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Lehre der Tradition oder traditionelle Lehre?

Das Spannungsfeld der modernen Bharata-Natyam-Tänzerin:


Der vorliegende Blog ist ein überarbeiteter Auszug aus:

Bansal-Tönz, Scharmila: Untersuchungen der Lieder Purandaradāsas (1484 – 1564) und ihrer modernen Rezeption im indischen Tanz Bharata Natyam. Zürich : Universität, 2018.

Dissertation an der Universität Zürich, 2017

© Copyright by Sharmila Bansal-Tönz. Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved.


Die Autorin als junge Tänzerin, 8.10.1993 (Bild: A. Tönz)

Das moderne Bharata Natyam ist Teil einer südindischen Performance-Kultur, die in der Vergangenheit eine eigentümliche Art der Selbstwahrnehmung und -darstellung entwickelt hat. Dies begründet sich in der Art, wie sich diese Performance-Tradition selbst reflektiert: Es ist eine teilweise rekonstruierte, teilweise ideologisierte Geschichte, die den Anspruch einer elitären Kunstdarstellung hat und auf einer historisch geprägten Idee von «Indianness» aufbaut. Im indischen Tanz Bharata Natyam besteht daher ein Nebeneinander eines idealisierten Selbstbildnisses und die gleichzeitige Berufung auf eine authentische Tradition – ein komplexes Zusammenspiel von Authentizität, Ideologie, Klassizismus und Geschichte.1 Die folgenden Ausführungen beschreiben dieses künstlerisch-historische Spannungsfeld am Beispiel meiner eigenen tänzerischen und musikalischen Ausbildung. 

Meine frühsten Erinnerungen an meinen Tanzunterricht gehen zurück in mein sechstes Le­bensjahr, als ich in den Kinderklassen der Tanzschule meiner Mutter getanzt und gelernt habe. Was spiele­risch begann, wurde mit 8 Jahren zu einem ernsthaften Tanzunterricht. Meine Mutter Vijaya Rao (Kn.: ವಿಜಯಾರಾವ್, 1948 –) und ihr Lehr­meister Pattakudi S. Ramaswamy (Ta: பத்தகுடி ஸ். ராமசுவாமி, 1927 – 1997) teilten sich diese Aufgabe. Uncle, wie ich ihren Lehr­meister vertrauensvoll nannte, unterrichtete mich während seiner Aufenthalte in der Schweiz. Ich empfand seinen Unterricht als sehr streng und fürchtete mich vor seiner bevorstehenden Ankunft, aus Angst, zu versagen, und aus Angst vor seiner Strenge. Der Unterricht mit ihm verlief nach traditionellen Methoden: Es war ein Diktat, in welchem er den zu erlernenden Tanz im Sitzen diktierte. Fehler in der Wiedergabe der Choreographie wurden lautstark gerügt. Korrekturen oder Verbesserungen in Haltung oder Ausdruck gab es kaum. Etwa zeitgleich mit dem Beginn meiner ernsthaften tänzerischen Ausbildung begann mein Gesangsunterricht in karnatischer Musik. Auch diese Ausbildung entsprach indischen Konventionen in Didaktik und Pädagogik. Keine meiner künstlerischen Ausbildungen, weder die tänzerische noch die musikalische, be­fassten sich mit der Einweisung in zugrundeliegende Theorien. Es wurden weder Strukturen der Tänze noch grundlegende Begriffe wie z. B. rāga2 erklärt. Es wurde stets nur so viel vermittelt, wie es meine momentanen Kenntnisse und mein Alter unbedingt erforderten. Fragen zu stellen, solange sie nicht von mythologischen Themen handelten, war unüblich und nicht gern gesehen. Die Aufklärung über historische Hintergründe zur Tradition, in wel­cher man lernt, gehörten ebenfalls nicht zum traditionellen indischen Unterricht.3 Mein Wissen über das, was ich tanzte und sang, setzte sich zusammen aus Bruch­stücken von Erzählungen, die ich während Aufführungen, in Tanz-Proben oder zu Hause zufällig aufgeschnappt hatte.4 An Stelle dieser Lücken traten die Grundpfeiler der traditionellen Leh­re (devo guru-brāhmaṇaḥ): der Respekt vor der Tradition, die Demut vor dem Lehrer und eine offensiv demonstrierte Wissbegierde. Die Bedeutung dieser Geisteserziehung spiegelte sich in der weiteren Planung meiner Tanz-Karriere wieder. Meiner Mutter war es ein Anliegen, dass ich mein Bühnendebüt vor Beginn meiner Puber­tät5 absolviere. Die offizielle Begründung dafür war, dass ich dadurch die Grundausbildung im Tanz fokussiert und «unver­dorben» abschliessen kann, um danach den Weg zur öffentlich-traditionellen Tänzerin einschlagen zu können.

Diese Zeit meiner künstlerischen Ausbildung ist sehr eng an die Bharata-Natyam-Karriere meiner Mutter als Solo-Tänzerin geknüpft, die sich zwischen 1987 bis 1994 auf dem Höhepunkt befand. Ich erinnere mich an zahlreiche Zeitungsartikel, die in jener Zeit von ihren Erfolgen berichteten. Manche davon, sehr sensibel und fachkenntnisreich, erzählten von der tänzerischen Sinnlichkeit, von der transzendenten Erfahrung des Zuschauers und der universellen Weisheit, die diese Kunst ausstrahlte. Andere Artikel waren weniger aufgeklärt, bemühten sich um Offenheit, aber konnten trotzdem nicht aus einer tendenziösen Be­richterstattung ausbrechen, die alle vorherrschenden Kli­schees bediente. In vielen dieser Be­richte fand sich immer wieder das Wort «Tempeltanz» und «Tempeltänzerin» (devadāsī)6. Meine Mutter bemühte sich unentwegt, die Menschen darüber auf­zuklären, dass Bharata Natyam kein Tem­peltanz ist, sondern eine «sakrale Bühnenkunst». Die Be­zeichnung «Tempeltänzerin» schien sie geradezu anzuwidern. Als junges Mädchen leitete ich daraus ab, dass «Tempeltänzerin» et­was Minderwertiges und Schlechtes war, mit dem man als seriöse Bharata-Na­tyam-Künstlerin nicht ver­glichen werden will. Ich leitete daraus ab, dass das, was wir tanzen, etwas Erhabenes, Reines ist, das auf die Bühnen dieser Welt gehört und entsprechend gewürdigt werden muss. Wir, das waren in meinen jungen Jahren meine Mutter und ich. Später, in meinen Jugendjah­ren, sah ich andere Tänzerinnen wie Alarmel Valli (Ta.: அலர்மேல்வள்ளி, 1956 –) oder Vyja­yanthimala (Ta.: வைஜெயந்திமாலாபாலி, 1936 –) und verstand, dass dieses wir auch all die­se unglaublich talentierten und gut aussehenden Künstlerinnen mit einbezog. Es dauerte weitere 15 Jahre bis ich begriff, dass dieses wirein komplexes sozio-historisches Konstrukt war. Wir, das sind die gebildeten südindischen Frauen mit brahmanischer Abstammung. Wir, das sind Tänzerinnen die Bharata Natyam würdig vertreten und seine spirituelle Botschaft in der Welt verbreiten. Wir, das sind die traditi­onsbewussten Schülerinnen, trainiert von brahmanischen Lehrmeistern, die dafür sor­gen, dass Bharata Natyam in seiner angeblich uralten Form erhalten bleibt. Als studierte Germanistin nutzte meine Mutter ihre Kenntnisse der deutschen Sprache, um den westlichen Zuschauern ihrer Auffüh­rungen diese Kunst und ihre Bedeutung zu erklä­ren. Das war in den 1980er Jahren ein Novum im deutschsprachigen Raum und beeindruckte die Leute, vor allem weil meine Mutter ihre Tanz-Tradi­tion sichtbar bis in ihre Fasern lebt. Was das Publikum nicht wusste, war, dass meine Mutter in die­ser Erscheinung all das verkörpert, was das Bharata Natyam des 20. Jh. definierte. Sie ist eine west­lich gebildete, brahmanisch erzogene und traditionsbewusste Tanzkünstlerin, Tanzge­lehrte und Tanzhistorikerin in einer Person. In ihren Erläuterungen spricht sie von der 2500-jähri­gen Kunst, die im Nāṭyaśāstra7 begründet liegt. Sie spricht von der Spiritualität im Tanz, den metaphysischen Bedeutungen, die zwischen den Zeilen zu lesen sind, und seiner Bewusstseins-er­weiternden Kraft. Diese Überzeugungen prägten auch mein eigenes Selbstbild als junge Tänzerin: «Ich bin ein Glied in einer uralten Traditionskette, die bis auf Śiva-Naṭarāja, den Gott des Tanzes, zurück­geht.» Entsprechend meiner künstlerischen Erziehung gab es keinen An­lass, an der Au­thentizität dessen, was mir beigebracht wurde, jemals zu zweifeln, geschweige denn Fragen darüber zu stellen. In meinen Augen war Bharata Natyam eine gottgegebene Kunst. Ich wuss­te vage von seiner Vergangenheit als Tempeltanz, seiner darauffolgenden zeitweiligen Degeneration und seiner Wiederauferstehung als sakrale Bühnenkunst. Die Bharata-Natyam-Tradition überlebte all diese Stationen als eine gefestigte und lückenlos überlieferte Kunst, die in 2500 Jahren unverändert ihren Weg bis in die heutige Zeit gefunden hatte, das war meine Überzeugung. Es brauchte viele Jahre der in­dologischen Lehre und der künstlerischen Emanzipation bis ich wagte, hinter die Fassade dieser «ewigen» Tradition zu blicken. Was mich daran hinderte, war die Angst vor der totalen Desillusionierung, vor der De-Konstruktion meiner künstlerischen Identität. Das Bild des jahrhundertealten Bharata Natyam entpuppte sich Stück für Stück als Sam­melsurium von Ideologien, und die ewige Tradition war nicht mehr als eine bruchstückhafte Geschichte einer manipulierten Überlieferung. Dass diese willkürliche Manipulation durch die Performance der Tradition selbst legitimiert wurde, und dass es diese Performance war, die der Tradition ihre eigentliche Wirkungs- und Überlebenskraft gibt, verstand ich erst viel später.8

So wie ich erleben viele junge Frauen ihre Bharata-Natyam-Ausbildung.9 Schüler der karnati­schen Musik oder des Bharata Natyam werden heute noch in dieser Illusion einer überirdi­schen Überliefe­rung erzogen. Es wird ihnen suggeriert, dass jeder Bestandteil der Kunst, die sie erlernen, wenn auch von Menschenhand gemacht, gottgleich und daher unantastbar ist. Ein absolutes Paradoxon, wenn man bedenkt, dass gerade der soziokulturelle Wandel und die menschliche Willkür die Seele des heutigen Bharata Natyam bestimmen. Um die Performance und Inszenierung des Bharata Natyam in seinem Wesen verstehen zu können ist daher die Gegenüberstellung seiner Entwicklungsgeschichte, seiner Selbstdarstellung und den Formen seiner Vergegenwärtigung unbedingt nötig: «Tradition, especially when associated with religious ritual and liturgy, is often regarded as an exemplary display of consistency. Notwithstanding the well-established fact that tradition continually rejuvenates itself through its implicit element of change – a vital factor without which tradition would become sterile and ultimately die in the strangehold of its own infertility -, tradition, by virtue of its innate steadiness, reveals itself as the living manifestation of history: the living past. And this is why the existence of living traditions proves invaluable in order to gather information about aspects of musical performance in the past, especially in those cases where no documentary evidence such as written accounts, iconographic depictions, poetic descriptions or other sources are available.»10

Das geschilderte Spannungsverhältnis zwischen indischen Kunsttraditionen und ihrer Historie hat in den letzten 15 Jahren eine kritische Aufarbeitung ausgelöst, die in interessanten Arbeiten, wie die von Coorlawala(1992), Srinivasan (1984), Kersenboom-Story (1987), Meduri (2001, 2005 & 2008), Bakhle (2005), Peterson & Soneji (2008), Soneji (2010 & 2012), Subramanian (2008 & 2011), O’Shea (2007) und vielen mehr sichtbar werden. Sie alle beleuchten die verschiedenen Aspekte der politischen, gesellschaftlichen und ästhetischen Prozesse, die dem Traditionswandel im indischen Tanz und in der indischen Musik zugrunde liegen. Diese Untersuchungen sind sowohl zur Posi­tionierung der indischen Performance-Kultur innerhalb des modernen Performance-Diskurses notwendig, als auch Grundlage für jede weitere performative Studie, die in diesem Bereich angestrebt wird. Sie sind auch notwendige Basislektüre für jede seriöse Bharata-Natyam-Künstlerin, die sich als ernstzunehmende Repräsentantin ihrer Kunsttradition versteht.

Quellen:

Bakhle, J. (2005): Two Men and Music. Nationalism in the Making of an Indian Classical Tradition. Delhi : Permanent Black; Oxford University Press.

Coorlawala, U. A. (1992): Ruth St. Denis and India’s Dance Renaissance. In: Dance Chronicle 15 (2), S. 123–152.

Gaston, A.-M. (2005): Bharata natyam. From temple to theatre. New Delhi : Manohar.

Kersenboom-Story, S. C. (1987): Nityasumangali. Devadasi tradition in south India. Delhi : Motilal Banarsidass.

Kersenboom-Story, S. C. (2008): Marabu, the inherent flexibility of the Karnatak tradition: The example of Bharatanatyam. In: I. Viswanathan Peterson, D. Soneji (eds.): Performing pasts. Reinventing the arts in modern South India. New Delhi : Oxford University Press, S. 197–224.

Meduri, A. (2001): Bharata Natyam – What are you? In: A. Dils, A. Cooper Albright (eds.): Moving history / dancing cultures. A dance history reader. Middletown : Wesleyan University Press, S. 103–113.

Meduri, A. (2005): Rukmini Devi Arundale, 1904-1986. A visionary architect of Indian culture and the performing arts. Delhi : Motilal Banarsidass.

Meduri, A. (2008): Temple stage as historical allegory in Bharatanatyam: Rukmini Devi as dancer-historian. In: I. Viswanathan Peterson, D. Soneji (eds.): Performing pasts. Reinventing the arts in modern South India. New Delhi : Oxford University Press, S. 133–164.

O’Shea, J. (2007): At home in the world. Bharata natyam on the global stage. Middletown : Wesleyan Univ. Press.

O’Shea, J. (2006): Dancing through History and Ethnography: Indian Classical Dance and the Performance of the Past. In: T. Buckland (ed.): Dancing from past to present. Nation, culture, identities. Madison : University of Wisconsin Press, S. 123–152.

Peterson, I. V.; Soneji, D. (ed.) (2008): Performing pasts. Reinventing the arts in modern South India. New Delhi : Oxford University Press.

Soneji, D. (ed.) (2010): Bharatanatyam. A reader. New Delhi : Oxford University Press.

Soneji, D. (2012): Unfinished Gestures: Devadasis, Memory, and Modernity in South India. Chicago : The University of Chicago Press.

Sorell, W. (1967): The dance through the ages. London : Thames & Hudson.

Srinivasan, A. (1984): Temple „prostitution“ and community reform: an examination of the ethnographic, historical and textual context of the devadasi of Tamil Nadu, South India. Unpublished Ph. D. Cambridge University.

Srinivasan, A. (1985): Reform and Revival: The Devadasi and Her Dance. In: Economic and Political Weekly 20 (44), S. 1869–1876.

Subramanian, L. (2008): Embracing the canonical: Identity, tradition, and modernity in Karnatak music. In: I. V. Peterson, D. Soneji (eds.): Performing pasts. Reinventing the arts in modern South India. New Delhi : Oxford University Press, S. 43–70.

Subramanian, L. (2011): From the Tanjore Court to the Madras Music Academy. A social history of music in South India. New Delhi : Oxford University Press, 2nd ed.

Thielemann, S. (2005): Itihāsa: the concept of history in India. In: S. Goswami, S. Thielemann (eds.): Music and fine arts in the devotional traditions of India. Worship through beauty. New Delhi : A.P.H. Publishing, S. 57–62.

Unni, N.P; Bharata (2003): Nāṭyaśāstra. Text with introduction, English translation and indices in four volumes. Vol. 1. Delhi : NAG, 2nd ed.

Fussnoten:

[1]Vgl. O’Shea(2006:125).

[2]Rāga ist ein Ton-Modus, welchem eine Komposition folgt.Der Begriff ist aus der Sanskrit-Wurzel rañj (Sa.: «färben, erröten, aufglühen») abgeleitet. Ein rāga färbt demzufolge eine Komposition und lässt sie er­strah­len. Der rāgamacht das Wort lebendig und hebt das emotionale Bild (bhāva) der Komposition hervor, damit der Hörer die Stimmung empfinden kann (rasa).

[3]Ich spreche hier sowohl von einem sogenannten westlichen Verständnis von Historie, also der Zeitgeschich­te in linearer Progression, als auch von einem sogenannten indischen Geschichtsverständnis, das Kriterien im historischen Prozess hervorhebt, welche bestimmte Ideen und Werte geschaffen haben. Ausführlicher zu den unterschiedlichen Auffassungen des Geschichtsbegriffes im Westen und in Indien s. Thielemann (2005).

[4]Wie typisch meine eigene Ausbildung für die allgemein übliche Art der traditionellen Lehre war, veranschaulicht ein Erlebnisbericht der indischen Tänzerin Lalli (n.d.), zit. in Sorell (1967:56): «I’ve settled down in Lucknow for at least six months of study with my former teacher, Vikram Singh. We’ve had two weeks of lessons – two or three hours each morning, five or six days a week, with two musicians playing continuously. Vikram teaches in the traditional manner, by demonstrating a step, part by part, while I follow, with little or no explanation. When I ask a question, Vikram affects good nature but reminds me that student’s question is a sign of little faith in the teacher. He does not want me to analyze or bring my own ideas to the dance. Whatever I dance is to be his creation totally, his vision. In this way only is the true art passed on. […]»

[5]Das Einsetzen der Menarche machte im alten Indien ein Mädchen zu einer heiratsfähigen Frau. Obwohl die Verheiratung von minderjährigen Mädchen rechtlich in Indien nicht mehr erlaubt ist, stellt der Beginn der Me­nar­che immer noch einen einschneidenden Übertritt in eine neue Lebensphase dar. Im Kontext der Tanzausbildung erhält dieses Ereignis eine erweiterte Komponente und erweist sich als Überbleibsel alter Bräuche aus der Zeit der Tempeltänzerinnen (devadāsī, Erklärung zum Begriff s. u.). Die Ausbildung eines Mädchens zur devadāsī und ihre Schenkung an den Tempel war an verschiedene Zeremonien geknüpft, welche teilweise, laut Gaston (2005:22), vor dem Einsetzen der Menarche abgeschlossen sein mussten: «All six ceremonies were supposed to be completed, at the latest, just after the first menstrual cycle. […] no temple authority would think of dedicating a girl above fourteen. », s. auch Kersenboom-Story (1987:333).

[6]Devadāsī, die Dienerin (dāsī) Gottes (deva), tanzte zur Unterhaltung der Tempelgottheit und vollzog die Dar­bringung der Opfergaben. Die jungen Mädchen wurden bereits vor Eintritt ihrer Pubertät von ihren Familien den Tempeln geschenkt und rituell mit der Tempelgottheit verheiratet. Den Tempeltänzerinnen wurden ver­heissungsvolle Kräfte nachgesagt. So waren sie wichtige zeremonielle Mitwirkende an Hochzeiten, Tempelprozessionen oder an verschiedenen Festen, die spezifische Lebenszyklen feierten (z.B. Beginn der Pubertät), s. Gaston (2005:31ff.). Obwohl die devadāsī in einer matrilinearen Linie einer Tradition folgten, kann man sie laut Srinivasan (1985:1869) nicht als Kaste bewerten: «[…] there exists a devadasi ‚way of life‘ or ‚professional ethic‘ (vrtti, murai) but not a devadasi jati. The office of devadasi was hereditary but it did not confer the right to work without adequate qualification

[7]Die alten theoretischen Grundlagen zu indischem Tanz, Schauspiel und Musik sind in professionalisierten und autoritativen Texten wie dem Nāṭyaśāstra festgehalten. Es ist die bekannteste und älteste überlieferte Schrift in Sanskrit über Tanz, Theater und Schauspiel­kunst, welches der Legende nach vom Weisen Bharata verfasst wurde. Sei­ne Entstehung wird zwischen 200 v. und 200 n. Chr. angesetzt, s. Unni (2003:31f.). Das Nāṭyaśāstra behandelt in 36 Kapiteln einerseits die praktischen Elemente, aus welchen sich die Darstellung des Tanztheaters zusammensetzt, andererseits aber auch die rituellen, infra­strukturellen und musikalischen Bedingungen, die diese Darstellung begleiten.

[8]Vgl. Kersenboom-Story (2008:200).

[9]Eine sehr schöne solche Schilderung liefert Meduri (2001:103ff.) in ihrem Aufsatz Bharata Natyam – What are you?

[10]Thielemann (2005:59)

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